Jenner: Hommage im Gedenkjahr

Nun hat es der Komponist Gustav Jenner im Gedenkjahr seines 100. Todestages doch noch zu einer Ehrung in der Stadt gebracht, in der er zur Schule ging und seine alles entscheidenden Kontakte zu den Dichtern Klaus Groth und Theodor Storm knüpfte. Letztere eröffneten ihm die persönliche Ansprache von Johannes Brahms, der ihn sieben Jahre lang streng in Wien schulte, bevor Marburg ihn 29-jährig für ein prägendes Vierteljahrhundert als Universitätsmusikdirektor an der Lahn einstellte.

Gleich drei Jenner-Kennern hat Wilfried Saust mit der Arbeitsgemeinschaft Kieler Auslandsvereine doch noch das seit fast drei Jahrzehnten beständig aussagekräftige AKA-Gesprächskonzert eröffnen können. Und das, obwohl durch die Verschiebung der Kieler Woche, durch die Corona-Pandemie und vor allem durch die leider nicht mehr als Veranstaltungsraum zur Verfügung stehende Landesbibliothek diese Tradition mit Bezug zu schleswig-holsteinischer Kulturgeschichte stark in Gefahr war.

Zu Recht unterstützt von der Landeshauptstadt, machten der aus Husum stammende Bassbariton Ulf Bästlein und der Pianist Carl-Martin Buttgereit in Kunstliedern von Jenner nach Gedichten von Groth und Storm eindrucksvoll am Mittwochnachmittag im Kulturforum Kiel deutlich, wie intim und intensiv, wie harmonisch und rhythmisch reich, wie atmosphärisch dicht und auf den Punkt der Lyrik der als Brahms-Epigone schwer Unterschätzte komponieren konnte.

Bästlein ist nicht nur auf seiner Jenner-CD beim Label Naxos ein enorm sprachklarer und ausdrucksstarker Liedgestalter. Und er ergänzte emphatisch die ohnehin schon sehr anschaulichen biografischen Erläuterungen des Musikwissenschaftlers Dr. Johannes Behr, Mitarbeiter in der Brahms-Forschungsstelle an der Kieler Universität.

Carl-Martin Buttgereit steckt spürbar tief in der ausgesprochen anspruchsvollen Klavierpart-Materie, färbt die Miniaturen gekonnt je nach Stimmungslage um. Er leitet, wenn die Corona-Pandemie es zulässt, im Frühjahr 2021 ein kleines Jenner-Festival auf Sylt, wo der Hochbegabte 1865 in Keitum zur Welt kam. Jetzt fehlt nur noch eine Jenner-Straße oder ein -Denkmal in Kiel …

Kieler Nachrichten vom 11. September 2020, Autor: Christian Strehk