Projekte und Zusatzstrukturen

Brahms-Quellenverzeichnis (BraQV): digitales Verzeichnis der musikalischen Quellen zu den Werken von Johannes Brahms (2022 ff.)

>>Zum digitalen Brahms-Quellenverzeichnis (BraQV)

Seit 2022 wird am Forschungszentrum Kiel der Johannes Brahms Gesamtausgabe ein digitales Verzeichnis der musikalischen Quellen zu den Werken von Johannes Brahms (BraQV) erarbeitet. Hierin werden primär diejenigen Musikhandschriften und -drucke erfasst, die für die bereits erschienenen Bände der Johannes Brahms Gesamtausgabe (JBG) herangezogen wurden. Dazu kommen Informationen zu den zugehörigen Werken samt den von Brahms verwendeten Textvorlagen, zu den Quellen-Standorten und zu Personen, die mit den Werken oder Quellen unmittelbar verknüpft sind. Auf diese Weise lässt sich nicht nur ein Überblick über die jeweilige Quellenlage eines bestimmten Werkes gewinnen, sondern es können auch einzelne Quellen und spezifische Quellenaspekte recherchiert werden. Das Verzeichnis, das unter der Leitung von Dr. Katrin Eich entsteht, lässt sich ergänzend zu den gedruckten Bänden der JBG, aber auch unabhängig davon nutzen. Ebenso kann es die Verwendung von praktischen, von der JBG abgeleiteten Ausgaben begleiten (G. Henle Verlag, München; Breitkopf & Härtel, Wiesbaden), zumal in solchen Ausgaben die Hinweise zu den Quellen in der Regel sehr verknappt sind.

Das erste im Sommer 2024 online gestellte Modul umfasst die im Rahmen der JBG bisher erschienenen Bände mit den Symphonien sowie die Kammermusikbände und die Bände mit den von Brahms angefertigten zugehörigen Klavierarrangements (Teile der Serien I, II, IA und IIA, insgesamt: 17 Bände). Nach Einarbeitung aller bisher erschienenen Bände ist vorgesehen, das Online-Verzeichnis parallel zu den neu erscheinenden Bänden sukzessive zu erweitern.

Wiener Brahms-Rezeption (2016 ff.)

>>Zur Plattform brahms-online: Brahms-Rezeption in Wien 1862–1902

Die systematische Auswertung der Wiener Brahms-Rezeption anhand zeit­genössischer Zeitschriften und Zeitungen aus dem Zeitraum 1862–1902 gehört zu den Schwer­­­­punkten an der Wiener Arbeitsstelle der Johannes Brahms Gesamtausgabe (an­gesiedelt am Aus­trian Centre for Digital Humanities and Cul­tural Heritage, Abteilung Musikwissenschaft). Die Arbeiten wurden in den Jahren 2016–2024 von der Magistratsabteilung 7 – Kultur, Wissenschafts- und Forschungsförderung der Stadt Wien unterstützt. Unter der Leitung von Vasiliki Papadopoulou PhD wurde zuletzt die Onlinestellung der bis­her er­­fassten Daten auf der neu geschaffenen Plattform brahms-online vorbereitet. Hierfür dient eine eigens entwickelte datenbank­ba­sierte Anwendung auf MEI-Basis. Die Dokumentation von Werk­auffüh­run­­­gen macht dabei nur einen Teil der Datenbank aus. Viel­mehr wur­den die Re­zeptionsdaten von Beginn an breit erfasst und ka­te­­gorisiert. So sind unter anderem von der reinen Werk­kritik bis zur Ver­­­lags­­­­an­­zeige zahl­reiche Textsorten diffe­­ren­­ziert verzeich­net. Durch Ver­­­knüpf­un­gen zu den Digi­talisaten – ­meist über das Portal ANNO – ist auch der Zugang zu den Voll­­texten ge­währ­leistet.

Juniorprofessur mit Schwerpunkt Editionsphilologie (2014–2020)

Vom Sommersemester 2014 bis zum Wintersemester 2019/20 war am Musikwissenschaftlichen Institut der Universität Kiel eine Juniorprofessur mit dem Schwerpunkt Editionsphilologie eingerichtet. Die Juniorprofessur wurde gemäß einem Kooperationsvertrag zwischen der Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz, und der Universität Kiel etabliert und von beiden Institutionen gemeinsam finanziert. Hauptziel solcher Kooperationen ist die stärkere Vernetzung von Vorhaben des Akademienprogramms mit den Universitäten und der dortigen Lehre und Forschung.

Die eingerichtete Juniorprofessur hatte Prof. Dr. Kathrin Kirsch inne. Neben der Forschung und Lehre am Musikwissenschaftlichen Institut bestand eine enge Anbindung an die Johannes Brahms Gesamtausgabe. Im Rahmen des Professur-Schwerpunktes legte Kathrin Kirsch im Jahr 2019 die Edition der Streichquintette op. 88 und 111 sowie des Klarinettenquintetts op. 115 vor. Außerdem hielt sie Lehrveranstaltungen zu Geschichte und Methoden der musikalischen Editionsphilologie sowie (gemeinsam mit zwei Mitarbeitern des Instituts für Informatik) zur digitalen Musikedition ab, betreute Haus- und Abschlussarbeiten zur Brahms-Philologie, beteiligte sich an einschlägigen Fachtagungen und legte entsprechende Publikationen vor.

Ein neuentdeckter Quellentypus in der Brahms-Philologie (2006–2010)

In organisatorischer und räumlicher Anbindung an das Musikwissenschaftliche Institut der Universität Kiel und in unmittelbarer inhaltlicher Abstimmung mit der Kieler Brahms-Forschungsstelle wurde vom 1. Oktober 2006 bis zum 31. Oktober 2010 ein von der Fritz Thyssen Stiftung finanziertes Forschungsprojekt von Dr. Johannes Behr (bis 31. Januar 2008) und Dr. Kathrin Kirsch (ab 1. Februar 2008) bearbeitet:
„Ein neuentdeckter Quellentypus in der Brahms-Philologie. Rekonstruktion später werkgenetischer Stadien in Johannes Brahms’ 2. Klavierkonzert B-Dur op. 83“

Der Kieler Brahms-Forschungsstelle stand leihweise ein Korrekturabzug der Partitur des 2. Klavierkonzerts op. 83 aus dem Besitz der Universität der Künste Berlin zur Verfügung. Es handelt sich um einen Verlags-Korrekturabzug mit hunderten von Eintragungen des Verlagskorrektors Robert Keller und damit um einen Quellentypus, der in der Brahms-Philologie bislang unbekannt war.

Stichprobenartige Untersuchungen legten die Vermutung nahe, dass eine Sammelkorrektur vorliegt, die nicht nur Stichfehler-Verbesserungen Kellers enthält, sondern auch substantielle Änderungen des Notentextes aufweist, die auf eine (verschollene) Korrekturfahne von Brahms zurückgehen. Damit lassen sich aus dieser singulären Quelle etliche Abweichungen zwischen den erhaltenen Manuskripten des Werkes und den frühen Drucken von Partitur, Solostimme, Orchesterstimmen und Arrangement für zwei Klaviere als von Brahms selbst veranlasste Änderungen bestimmen. Eine eingehende und systematische Auswertung des Korrekturexemplars im Kontext sämtlicher vorliegender Werkquellen versprach also zum einen vertiefte Kenntnisse der Entstehungsgeschichte speziell des 2. Klavierkonzerts, zum anderen aber auch generelle Einsichten über Korrekturprozesse bei der Drucklegung von Brahms’ Werken.

Im Zusammenhang mit der vorliegenden Sammelkorrektur ist ein weiterer, erst seit kurzem zugänglicher Korrekturabzug von Bedeutung. Im Besitz der Juilliard School of Music, New York, befindet sich seit 2006 ein Abzug des 1. Streichquintetts F-Dur op. 88, in dem der Komponist selbst und Robert Keller zahlreiche Korrekturen vornahmen. Der Arbeitsgang, der der abschriftlichen Sammelkorrektur des Klavierkonzerts vorausging, ist in diesem Abzug überliefert. Im Rahmen einer abschließenden Förderung bewilligte die Fritz Thyssen Stiftung im Juni 2009 eine Verlängerung des Projekts. So konnten die Zusammenarbeit zwischen Keller und Brahms anhand des Abzugs zum Streichquintett näher untersucht und die daraus gewonnenen Erkenntnisse für das Verständnis der Sammelkorrektur des 2. Klavierkonzerts ausgewertet werden.

Die Ergebnisse des Forschungsprojektes wurden abschließend in einer zusammenfassenden Darstellung publiziert:
Kathrin Kirsch: Von der Stichvorlage zum Erstdruck. Zur Bedeutung von Vorabzügen bei Johannes Brahms, Kassel u. a. 2013 (= Kieler Schriften zur Musikwissenschaft, hrsg. von Siegfried Oechsle und Bernd Sponheuer in Verbindung mit Friedhelm Krummacher, Bd. LII)