Werke für Klavier zu vier Händen I

(Serie III, Band 2), hrsg. von Jakob Hauschildt, München 2023

Die im vorliegenden Band versammelten Werke für ein Klavier zu vier Händen gab Brahms zwischen 1863 und 1877 in den Druck. Hierbei handelt es sich um zwei Originalkompositionen (Variationen op. 23, Walzer op. 39) sowie um zwei alternative Fassungen zu bereits früher publizierten Werken (Liebeslieder. Walzer op. 52a; Neue Liebeslieder. Walzer op. 65a).

Hinsichtlich der Variationen Es-Dur für Klavier zu vier Händen über ein Thema von Robert Schumann op. 23 ließ sich die in deutschem Privatbesitz befindliche autographe Partitur ermitteln und für die Edition nutzen. Als älteste erhaltene Niederschrift gibt diese Quelle bemerkenswerten Einblick in die Frühphase der Werkentstehung, so mit acht gänzlich abweichenden Anfangstakten einer ursprünglichen Var. X. Die Idee zur definitiven letzten Variation, worin zur sich entfaltenden Marschmotivik als Höhe- und Schlusspunkt das verwandelte Thema tritt, entwickelte Brahms offenbar erst später. Dass dieses Thema als Schumanns „letzter musikalischer Gedanke“ bezeichnet wurde, sollte sich auf die Rezeption der 1863 erschienenen Variationen op. 23 deutlich auswirken.

Zur Niederschrift der Walzer für Klavier zu vier Händen op. 39 wurde Brahms im Januar 1865 durch eine (heute verschollene) Anfrage Elise Schumanns nach vierhändigen Walzern und Tänzen angeregt. So geht es aus einem zuvor unbekannten Brief des Komponisten an die Tochter Clara Schumanns hervor, den die Gesellschaft der Musikfreunde in Wien kürzlich erwarb. Brahms stellte darin neue Walzer in Aussicht („und falls Sie noch wünschen daß ich […] etwa Neues senden soll so wird mir der Auftrag die größte Freude machen“). Elise Schumann nahm damals, wie der Komponist wusste, musiktheoretischen Unterricht bei Hermann Levi in Karlsruhe. Vor diesem Hintergrund erscheint nicht zuletzt die spezielle Faktur des geradezu lehrbuchmäßig im doppelten Kontrapunkt gearbeiteten Schlusswalzers op. 39 Nr. 16 in neuem Licht.

Die Stichvorlagen für die Liebeslieder-Walzer in ihren Fassungen für Klavier zu vier Händen ohne Gesang op. 52a und 65a richtete der Komponist ein, indem er jeweils ein Exemplar der Originalfassung (Erstdruck bzw. Vorabzug) heranzog und den Klaviersatz entsprechend überarbeitete. Die Liebeslieder op. 52 hatte er schon so konzipiert, dass sich ihr Klaviersatz optional auch ohne Gesang ausführen ließ; die Singstimmen waren laut Titel „ad libitum“ gestellt. Anders verhielt es sich bei den Neuen Liebesliedern op. 65, wo Klavier- und Vokalpart untrennbar verbunden blieben. So verfeinerte Brahms für die Walzer op. 52a den originalen vierhändigen Klaviersatz eher punktuell, während er den Klavierpart der Neuen Liebeslieder op. 65 zur rein instrumentalen Gestalt der Walzer op. 65a umbildete. Hierbei wollte er den gestrichenen Vokalpart nicht möglichst vollständig in den Klaviersatz übertragen, sondern gelangte zu individuellen Lösungen. Lediglich für den Epilog von op. 65a („Zum Schluss“) verteilte er das musikalische Material in der Art eines Arrangements gänzlich auf den vierhändigen Klaviersatz