Klavierstücke

(Serie III, Band 6), hrsg. von Katrin Eich, München 2011

Der Band mit den Klavierstücken umfasst Werke, die von der Frühzeit (Scherzo op. 4, Vier Balladen op. 10) über die mittlere Phase (Walzer op. 39, Acht Klavierstücke op. 76, Zwei Rhapsodien op. 79) bis in die letzten Jahre (Klavierstücke op. 116–119) des Brahms’schen Komponierens reichen. Für das 1851 entstandene Scherzo op. 4 und die 1854 komponierten Balladen op. 10 sind dabei an handschriftlichen Quellen jeweils nur die autographe (op. 4) bzw. abschriftliche (op. 10) Stichvorlage überliefert. Im Rahmen der Arbeiten an der vorliegenden Edition konnte die Abschrift der Balladen erstmals dem Düsseldorfer Kopisten Peter Fuchs zugeordnet werden, der auch häufig für Robert Schumann arbeitete. Die Sechzehn Walzer op. 39 werden in den beiden 1867 entstandenen und gedruckten zweihändigen Fassungen (reguläre und erleichterte Fassung) vorgelegt, während die 1866 publizierte Fassung für ein Klavier zu vier Händen sowie die ebenfalls auf das Jahr 1867 zurückgehende, in Brahms’ Todesjahr 1897 posthum veröffentlichte Fassung einiger der Walzer für zwei Klaviere zu vier Händen den JBG-Bänden entsprechender Besetzung (III/1; III/2) vorbehalten bleiben. Die Stichvorlage der 1878 publizierten Klavierstücke op. 76 ist geteilt abschriftlich (Nr. 1–4) und autograph (Nr. 5–8), wobei letzterer Teil nur in Gestalt von Fotografien aus dem Bestand des Simrock-Verlages verfügbar ist. Darüber hinaus gibt es ein Geschenkautograph von Nr. 2 sowie ein Autograph mit einer Frühfassung von Nr. 1, deren zumeist im Detail wirksame Abweichungen von der späteren Fassung im Editionsbericht dokumentiert werden.

Ist für die 1879 veröffentlichten Rhapsodien op. 79 wie schon bei den Balladen op. 10 an Manuskripten lediglich die abschriftliche Stichvorlage überliefert, ließen sich für die 1892 erschienenen Sieben Fantasien op. 116 und Drei Intermezzi op. 117 zwar jeweils ein Brahms’sches Autograph, nicht jedoch die verschollene Stichvorlage auswerten. Immerhin dokumentiert ein von Brahms annotierter Korrekturabzug der Fantasien einige Änderungen, die er während der Drucklegung vornahm. Die Quellenlage der im Folgejahr publizierten Sechs Klavierstücke op. 118 und Vier Klavierstücke op. 119 ist dagegen reichhaltiger. So sind zum einen Autographe aller Stücke erhalten, die Brahms im Sommer des Jahres sukzessiv an Clara Schumann sandte. Zum anderen ließen sich zum Vergleich mit den Erstdrucken die abschriftlichen, von William Kupfer angefertigten Stichvorlagen heranziehen, die erst seit wenigen Jahren in der Juilliard Manuscript Collection öffentlich zugänglich sind. Zahlreiche substanzielle Abweichungen zwischen den Autographen und den Kopistenabschriften belegen dabei, dass die Autographe ein verhältnismäßig frühes Werkstadium repräsentieren und nicht als Vorlage für die Abschriften gedient haben können.

Frühe Stadien der Werkgenese dokumentieren Skizzen bzw. ein Teilentwurf zu Opus 117/2–3 sowie eine fragmentarische Skizze, die Opus 119/4 zugeordnet wurde. Diese Skizzen sind im Anhang abgebildet und transkribiert. Insbesondere bei den späten Klavierstücken konnten auch einige Quellen aus dem Stadium der Drucklegung einbezogen werden, die im Brahms-Werkverzeichnis nicht vermerkt sind. So tauchten inzwischen zusätzlich zum bekannten Vorabzug von Opus 118/2 ein Vorabzug von Opus 117/1 und ein entsprechender Abzug von Opus 118/5 auf. Von Interesse sind darüber hinaus Vorabzüge, die vom Simrock-Verlag noch vor Abschluss der Drucklegung zum Schutz der Werke nach amerikanischem Urheberrecht an die Library of Congress, Washington, D. C., geschickt wurden. Die erhaltenen Abzüge belegen nicht nur einige späte kompositorische Korrekturen von Brahms vor Erscheinen des jeweiligen Erstdruckes, sondern erhellen auch die Geschichte der Drucklegung, die im vorgelegten Band ebenso wie die Entstehungs-, Aufführungs- und Rezeptionsgeschichte der Werke ausführlich dargelegt wird.

Die Eintragungen in Brahms’ Handexemplaren werden auf unterschiedliche Weise berücksichtigt. Maßgeblich dabei war eine eingehende Prüfung ihrer Authentizität und ihrer jeweiligen möglichen Bedeutung. Insbesondere im Fall der Klavierstücke op. 76 werden die Einträge ähnlich wie bei der 4. Symphonie eher als ›situativ‹ gewertet, zumal sie in einigen Fällen deutliche Spielerleichterungen bieten, also vermutlich aufführungsbezogen waren. Die Ausgabe im Rahmen der JBG verzichtet daher im Gegensatz zur alten Gesamtausgabe auf eine Einbindung der Änderungen in den Notentext dieses Werkkorpus.