Klavierauszug von Franz Schuberts Messe Es-Dur (D 950) Anh. Ia Nr. 18

(Serie IX, Band 5), hrsg. Vasiliki Papadopoulou, München 2021

Der vorliegende Band enthält den Klavierauszug von Franz Schuberts Messe Es-Dur (D 950), den Brahms teilweise erstellt, teilweise überarbeitet hat (Anh. Ia Nr. 18). Es gibt Hinweise, dass Brahms auch in die Erstellung bzw. Publikation zweier weiterer Klavierauszüge fremder Werke involviert war. Dies betrifft einen Klavierauszug zu Joseph Joachims Violinkonzert g-Moll op. 3 und einen solchen zu Schuberts Messe As-Dur (D 678). Da jedoch keine hinreichenden Belege dafür existieren, dass Brahms diese Auszüge womöglich erstellte oder zumindest in größerem Maße überarbeitete, wurden sie in den Band nicht aufgenommen. Allerdings wurde die Publikation der As-Dur-Messe in Partitur und Klavierauszug aufgrund der engen Bezüge zur Es-Dur-Messe ausführlich in der Einleitung erörtert.

1865 erschien der Klavierauszug von Schuberts Es-Dur-Messe bei J. Rieter-Biedermann in Leipzig und Winterthur zeitgleich mit dem Erstdruck der Partitur. Als Stichvorlage für den Klavierauszug-Erstdruck diente seinerzeit das überlieferte Teilautograph, dessen Sätze Kyrie, Gloria bis zur Fuge Cum Sancto Spiritu, Credo und Agnus Dei von Brahms’ Hand stammen. Die Schlussfuge des Gloria wurde von einem unbekannten Schreiber oder Kopisten notiert, während die Sätze Sanctus und Benedictus von Franz Schuberts Neffen Eduard Schneider geschrieben wurden und Brahms’sche Änderungen enthalten. Die Hintergründe um die Entstehung und Autorschaft des Klavierauszugs konnten nur zum Teil rekonstruiert werden. Ein bislang unbekannter Brief des Verlegers Rieter-Biedermann an den Berliner Bibliothekskustos Franz Espagne, der vor Beginn der Drucklegung eine aus Wien stammende, teilweise von Schuberts Bruder Ferdinand geschriebene, heute verschollene Partiturabschrift mit dem Berliner Schubert-Autograph kollationierte, lieferte weitere Hinweise auf die Autorschaft des Klavierauszugs im Hinblick auf das Credo: Es lässt sich nun mit einiger Sicherheit darauf schließen, dass Brahms diesen Teil des Klavierauszugs neu, ohne das Vorliegen einer früheren Klavierübertragung angefertigt hat. Im Gegensatz dazu bleibt das tatsächliche Ausmaß von Brahms’ Beteiligung an der Überarbeitung oder Erstellung der Sätze Kyrie, Gloria und Agnus Dei im Dunkeln, wobei diese gemäß Brahms’ eigener brieflicher Aussage – ebenso wie die Sätze Sanctus und Benedictus – eine rigorose Revision erfahren hatten. Hinsichtlich der beiden letztgenannten Sätze trifft dies jedoch nur bedingt zu, da längere Passagen von Schneiders Klavier­auszug in der überlieferten Stichvorlage nur vereinzelte Änderungen von Brahms aufweisen.

Diverse Faktoren führten zu besonderen editorischen Bedingungen für den vorgelegten Band: so die lediglich handschriftliche Überlieferung um 1865, die verlagsseitigen redaktionellen, im Zuge der Druck­legung vorgenommenen Vereinheitlichungen und Anpassungen zwischen Partitur, Stimmen und Klavierauszug, das Quellen- und Werkverständnis im gegebenen historischen Kontext, aber auch das heutige Fehlen jener Partiturabschrift, die als Stichvorlage für den Partitur-Erstdruck und wohl auch als Vorlage für die Erstellung des Klavierauszugs diente. Wurde einerseits eine spätere Auflage der Klavierauszug-Erstausgabe als Hauptquelle der vorliegenden Edition verwendet, erwies es sich andererseits als hilfreich, neben der Klavierauszug-Stichvorlage auch Partitur- und in begrenztem Maße Stimmenquellen von Schuberts Es-Dur-Messe heranzuziehen. Zwar bestehen zwischen Partitur und Klavierauszug, insbesondere im Hinblick auf dessen Klavierpartie, grundsätzliche Unterschiede. Doch konnten die Partitur- und Stimmenquellen dazu dienen, redaktionelle Eingriffe und Vereinheitlichungen bei der Erstausgabe von Partitur und Klavierauszug zu erkennen sowie problematische Lesarten in den Klavierauszug-Quellen zu klären, was in einigen Fällen zu Änderungen gegenüber der Hauptquelle führte. Dennoch unterscheidet sich der vorgelegte Notentext, vor allem im Hinblick auf die Vokalpartien bzw. die Artikulation und Dynamik, aber auch auf Bereiche der Klavierpartie, zwangsläufig von einer modernen Werkedition auf Grundlage des Schubert’schen Autographs oder eines unmittelbar darauf basierenden Klavierauszugs; zugleich bietet er ein Dokument der Schubert-Rezeption durch Brahms und sein Umfeld.