Bearbeitungen von Werken anderer Komponisten für ein oder zwei Klaviere zu vier Händen

(Serie IX, Band 1), hrsg. von Valerie Woodring Goertzen, München 2012

Der Band enthält die insgesamt fünf Arrangements fremder Werke für Tasteninstrument(e) zu vier Händen, die vollständig oder fragmentarisch erhalten sind und deren Urheberschaft durch Brahms gesichert ist. Es sind dies drei Bearbeitungen von Orchester-Ouvertüren Joseph Joachims zu Shakespeares „Hamlet“ für ein Klavier zu vier Händen, zu Herman Grimms „Demetrius“ und zu Shakespeares „Heinrich IV.“ jeweils für zwei Klaviere zu vier Händen (Anh. Ia Nr. 3–5), ein Arrangement von Robert Schumanns Klavierquartett Es-Dur op. 47 für ein Klavier zu vier Händen (Anh. Ia Nr. 8) sowie eine Bearbeitung der Ouvertüre zu Robert Griepenkerls „Maximilian Robespierre“ von Henry Litolff für Physharmonika und Klavier (Anh. III Nr. 9).

Die drei Ouvertüren Joachims, komponiert in den Jahren 1852–1854, wurden von Brahms zwischen 1853 und 1856 bearbeitet und blieben zu dessen Lebzeiten unveröffentlicht; im Jahr 1902 erschien allein die Bearbeitung der „Heinrich“-Ouvertüre im Druck. Für die Edition waren somit im Wesentlichen handschriftliche Quellen der Arrangements heranzuziehen, außerdem in allen drei Fällen Joachims autographe Orchesterpartituren, die Brahms als Vorlagen gedient hatten.

Das Arrangement des Klavierquartetts von Schumann entstand um die Jahreswende 1854/55 und sollte ursprünglich bei Friedrich Whistling in Leipzig, dem Verleger des Originalwerkes, erscheinen. Dieser ließ die Stichvorlage jedoch zunächst liegen und verkaufte sie später an den Verlag Arnold in Elberfeld. Da aber Whistling die Rechte an Schumanns Originalwerk an einen anderen Verleger, Gustav Heinze in Leipzig, abgetreten hatte, musste die bei Arnold bereits gestochene Ausgabe der Bearbeitung zurückgezogen werden, doch sind von ihr immerhin zwei Privatexemplare überliefert. Die Stichvorlage ging mit dem Verkauf des Arnold-Verlags 1878 an Adolph Fürstner in Berlin über, in dessen Verlag schließlich 1887, nach Ablauf der Schutzfrist für Schumanns Werke, der Erstdruck des Arrangements erschien. Für die Edition konnten in diesem Fall neben dem von Brahms als Vorlage genutzten Partitur-Erstdruck des Originalwerkes die abschriftliche Stichvorlage der Bearbeitung, die erwähnten Arnold-Exemplare, ein Korrekturabzug zum Fürstner-Erstdruck sowie dieser Erstdruck selbst herangezogen werden.

Das Arrangement von Litolffs „Robespierre“-Ouvertüre für Klavier und Physharmonika (eine Art Harmonium mit der Möglichkeit feiner dynamischer Abstufungen), das im Mai 1852 in Hamburg entstand, ist nur fragmentarisch überliefert und wird darum nicht im Hauptteil, sondern im Anhang des Bandes erstmals veröffentlicht. Die Edition stützt sich in erster Linie auf die allein erhaltene autographe Physharmonikastimme und zieht daneben ein vierhändiges Arrangement der Ouvertüre von Louis Winkler heran, welches 1850 im Braunschweiger Verlag G. W. Meyer herausgekommen war und höchstwahrscheinlich als Vorlage für Brahms’ Bearbeitung diente.

Vor Schumanns Klavierquartett op. 47 hatte Brahms im August/September 1854 bereits das Klavierquintett op. 44 für Klavier zu vier Händen bearbeitet und im Januar 1855 an Breitkopf & Härtel geschickt. Als der Leipziger Verlag die Bearbeitung als zu schwer spielbar ablehnte, unternahm Brahms keine weiteren Initiativen zur Veröffentlichung und stellte sein (heute verschollenes) Manuskript später Clara Schumann zur Verfügung, unter deren Namen im Jahr 1858 ein vierhändiges Arrangement des Klavierquintetts herauskam. Es ist zwar durchaus anzunehmen, dass sich Clara Schumanns Bearbeitung auf diejenige von Brahms stützte; da aber das Ausmaß eventueller Übernahmen in Ermangelung von Quellen nicht bestimmt werden kann, blieb dieses Arrangement aus dem vorliegenden Band ausgeschlossen. Die hier umrissenen Umstände seiner Entstehung werden allerdings in der Einleitung ausführlich dargestellt. Die vierhändigen Bearbeitungen von 16 Ländlern Franz Schuberts, welche seit den 1970er Jahren Brahms zugeschrieben wurden (so auch noch in Margit McCorkles thematisch-bibliographischem Werkverzeichnis als Anh. Ia Nr. 6), stammen nach neuerer Erkenntnis von J. P. Gotthard, dem Wiener Verleger der Erstausgabe. Sie waren demzufolge entgegen früheren Planungen ebenfalls aus diesem Band auszuschließen.