Kieler Erkenntnisse zu Brahms und Avé

Die Hamburger Staats- und Universitätsbibliothek hat neu erworbene Handschriften aus dem Nachlass des Hamburger Musikers und Konzert-Organisators Theodor Avé-Lallemant (1806-1890) präsentiert. „Avé“ war ein Freund von Brahms und Clara Schumann, Tschaikowsky widmete ihm seine 5. Symphonie. Nachdem ein erster Teil des Nachlasses 2001 vom Lübecker Brahms-Institut erworben worden war, kam nun die Vaterstadt Hamburg in Verhandlungen mit einem anderen Familienzweig zum Zuge. Unter den Neuerwerbungen befinden sich nicht nur Briefe (unter anderem von Brahms, Clara und Robert Schumann sowie Tschaikowsky), sondern auch Notenhandschriften, darunter die Anfangsseite des Autographs von Brahms’ „Wechsellied zum Tanze“ op. 31/1.

Die wissenschaftliche Einordnung der Notenfunde besorgten zwei Mitarbeiter der Kieler Brahms-Forschungsstelle (Musikwissenschaftliches Institut der Universität Kiel): Dr. Katrin Eich zeigte, dass es sich bei zwei weiteren kleinen Brahms-Autographen nicht um „Skizzen“ handelt, wie man meinen könnte, sondern um Korrekturblätter. Mit deren Hilfe ließ der Komponist vor den Hamburger Erstaufführungen seiner 1. Serenade (in der heute verschollenen Fassung für kleines Orchester) und des 1. Klavierkonzertes im März 1859 die einzelnen Orchesterstimmen kompositorisch verbessern.

Dr. Michael Struck stellte zwei Manuskripte eines Klaviersonaten-Satzes in g-Moll vor, deren Sätze 2–4 seit 2001 im Lübecker Brahms-Institut liegen. Er konnte nachweisen, dass diese g-Moll-Sonate ebenso wie zwei in Lübeck liegende Geibel-Vertonungen entgegen der nachträglichen Beschriftung durch Avés Sohn Johannes nicht von „Clara Wieck“(-Schumann) stammen, sondern von dem beachtenswerten Hamburger Komponisten Carl von Holten (1836–1912).

Kieler Nachrichten vom 10. Februar 2011, S. 16 (Autor: gel)