Symphonie Nr. 4 e-Moll op. 98, vierhändige Arrangements für ein und zwei Klaviere

(Serie IA, Band 3), hrsg. von Robert Pascall, München 2012

Mit den beiden vierhändigen Arrangements der 4. Symphonie für ein bzw. zwei Klaviere wurde der vorletzte Band der maßgeblich von Robert Pascall (Nottingham) erarbeiteten Edition der Brahms’schen Symphonien vorgelegt, die 2013 mit den Arrangements der 3. Symphonie ihren Abschluss fand.

Während das zweiklavierige Arrangement der 4. Symphonie bereits Ende Mai oder Anfang Juni 1886 – vier Monate vor Partitur und Orchesterstimmen – in Klavierpartitur und separater Stimme von Klavier II im Druck erschien, wurde das einklavierige Arrangement erst Mitte Januar 1887 publiziert. Die Quellenlage beider Arrangements ist wenig komfortabel: Für das zweiklavierige Arrangement ist neben den Auflagen der Erstausgabe nur eine Kopistenabschrift der Stimme von Klavier II erhalten. Deren von Brahms geschriebene sechs Anfangstakte enthalten auch die vom Komponisten zwischenzeitlich hinzugefügten, später aber wieder gestrichenen vier Einleitungstakte; dass sie hier vom Komponisten zu Beginn des Notats fixiert wurden, lässt vermuten, dass sie im verschollenen Autograph des Arrangements (ebenso wie schon im Partiturautograph der Orchesterfassung) nachgetragen wurden und dass Brahms in der Stimme von Klavier II den neu konzipierten Beginn klarstellen wollte. Die abschriftliche Stimme von Klavier II, die später als Stichvorlage der gedruckten Stimme von Klavier II diente, gibt einige Hinweise auf frühere Lesarten des Arrangements und korrigiert eine Reihe von Stecherfehlern der Erstausgabe. Das Manuskript wurde auch bei Johannes Brahmsʼ und Ignaz Brülls Wiener Privataufführung des Arrangements vor Freunden und Kollegen elf Tage vor der Meininger Uraufführung der Orchesterfassung benutzt. Aufgrund zweier im Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien befindlicher Postkarten konnte die Privataufführung des Arrangements gegenüber den bisherigen fehlerhaften Angaben der Brahms-Literatur auf den 14. Oktober 1885 datiert werden.

Vom Arrangement für ein Klavier zu vier Händen ist kein Manuskript überliefert. Einziges Relikt der als Stichvorlage verwendeten autographen Klavierpartitur ist eine zu Beginn des 20. Jahrhunderts angefertigte Fotografie der ersten Notenseite (Takte 1–26) aus Schweizer Privatbesitz, die auf dem Frontispiz des Bandes wiedergegeben wird. Abgesehen von den ersten 26 Takten muss die Edition hier vorwiegend textkritisch verfahren. Da Brahms dieses Arrangement erst nach Erscheinen der Orchesterfassung anfertigte, gibt es zu Beginn der Niederschrift keine Spuren der zwischenzeitlich gültigen Einleitung zum 1. Satz mehr. Um das Studium von Brahmsʼ vierhändigem Klaviersatz zu erleichtern, wird auch das einklavierige Arrangement – anders als bei der Primo-Secondo-Trennung der Erstausgabe – in Partitur wiedergegeben. Dies betrifft ebenso die beiden im Folgenden vorgestellten Bände.

Bei offenkundigen Textdefiziten eines Arrangements zieht Pascalls Edition ggf. die Lesart des jeweils anderen Arrangements korrigierend heran; die frühen Auflagen von dessen Erstausgabe fungieren in solchen eng umgrenzten Fällen also als Referenzquellen, ohne dass die Gefahr der Quellen- oder Fassungsmischung bestünde. Beide Arrangements sind sowohl gegenüber der Orchesterfassung wie untereinander bemerkenswert frei und kreativ gestaltet. Diese Freiheit manifestiert sich sogar in divergierenden Satzbezeichnungen. So lautet der 3. Satz im zweiklavierigen Arrangement „Presto giocoso“, im einklavierigen Arrangement und in der Orchesterfassung dagegen „Allegro giocoso“, ohne dass die Divergenz eindeutig als Versehen zu qualifizieren wäre.