Streichsextette Nr. 1 B-Dur op 18 und Nr. 2 G-Dur op. 36

(Serie II, Band 1), hrsg. von Katrin Eich, München 2017

Die Streichsextette op. 18 und op. 36 stellen die ersten von Brahms veröffentlichten Werke für Streicherbesetzung dar. Erst in späteren Jahren folgten die Streichquartette op. 51 Nr. 1/2 und op. 67 sowie die Streichquintette op. 88 und op. 111. Dabei ist das im Dezember 1861 im Simrock-Verlag erschienene 1. Sextett op. 18 das zweite Kammermusikwerk, das der junge Brahms an die Öffentlichkeit brachte, während das im April 1866 ebenfalls bei Simrock publizierte 2. Sextett op. 36 in einer Phase verstärkter kammermusikalischer Produktivität entstand.

Für beide Werke sind an handschriftlichen Quellen jeweils die Stichvorlagen der Partitur, der Stimmen sowie des Arrangements für ein Klavier zu vier Händen überliefert. Die Stimmen-Stichvorlagen wurden von Kopistenhand angefertigt, die sonstigen Stichvorlagen stammen von Brahms. Zum 2. Sextett sind außerdem particellartige Notate mit dem Beginn des 3. Satzes sowie ein autographes Korrekturverzeichnis zur Erstausgabe der Stimmen erhalten, zum 1. Sextett darüber hinaus Brahms’ Autograph mit seiner für Clara Schumann geschriebenen Konzert-Fassung des 2. Satzes für Klavier zu zwei Händen. In allen genannten Stichvorlagen nahm Brahms noch Revisionen vor.

Die Stimmenabschriften sind der Forschung erst seit Beginn der 1990er Jahre bekannt, als sich Nachfahren des Verlegers Fritz Simrock an die Kieler Brahms-Forschungsstelle wandten und um Begutachtung von in ihrem Besitz befindlichen Abschriften Brahms’scher Werke baten, die schließlich vom Lübecker Brahms-Institut erworben wurden. Bei beiden Stimmensätzen ist davon auszugehen, dass sie von dem als Stichvorlage dienenden Partiturautograph abgenommen wurden. Der von Brahms jeweils nachträglich komponierte 4. Satz wurde sowohl im Fall des 1. als auch im Fall des 2. Sextetts von einem zweiten Kopisten abgeschrieben. Von den insgesamt vier Kopisten ist nur der Hannoveraner Musiker Wilhelm Deierberg, der den 4. Satz des 1. Sextetts in Stimmen schrieb, namentlich bekannt.

Besondere editorische Probleme verursachte das 1. Sextett, bei dem zwischen Partitur und Stimmen vor allem im Druck teilweise substantielle Lesarten-Unterschiede bestehen. Hierfür ließen sich verschiedene Faktoren geltend machen: So wurden die abschriftlichen Stimmen vor der Verwendung als Stichvorlage von verschiedenen Ensembles für frühe Proben bzw. Aufführungen genutzt und teilweise annotiert. Außerdem blieb zunächst unklar, ob überhaupt eine Partitur gestochen werden würde. Schließlich erhielt Brahms, dem noch Erfahrungen für die nötige Vereinheitlichung von Partitur und Stimmen und ein umsichtiges Lektorat im Simrock-Verlag fehlten, die (verschollenen) Korrekturabzüge beider Quellentypen nacheinander, sodass er sie getrennt durchsehen musste. Danach schickte er sie jeweils an Joseph Joachim mit der Bitte, diese zu kontrollieren, insbesondere in den Stimmen Fingersätze und Strichbezeichnungen zu prüfen und die Abzüge dann ggf. ohne Rücksprache an den Verlag weiterzuleiten.

Da Partitur und Stimmen somit vor der Publikation nicht konsequent vereinheitlicht wurden, lassen sich einige abweichende Stimmen-Lesarten, die Brahms entweder nur in der Stimmen-Stichvorlage vermerkt hatte oder die während der Drucklegung zustande kamen, als endgültig intendierte Lesarten interpretieren.