(Serie III, Band 4), hrsg. von Katrin Eich, München 2014
Mit diesem Band wurde nach den Klavierwerken ohne Opuszahl (III/7) und den Klavierstücken (III/6) eine weitere Edition Brahms’scher Klaviermusik vorgelegt, die nun die drei Klaviersonaten umfasst: die Sonate C-Dur op. 1, die Sonate fis-Moll op. 2 sowie die Sonate f-Moll op. 5.
Bei op. 1 und 2 sind Entstehung und Drucklegung, teilweise auch frühe Aufführungs- und Rezeptionsgeschichte so eng verbunden, dass beide Sonaten in der Einleitung gemeinsam behandelt werden. Sie gehören zu jenen Werken, mit denen sich Brahms im Herbst 1853 bei dem Ehepaar Robert und Clara Schumann vorstellte, und erschienen Ende Dezember 1853 (op. 1) bzw. Anfang Februar 1854 (op. 2) bei Breitkopf & Härtel im Druck. Dagegen wurde op. 5 zum Jahresende 1853 vollendet und Ende Februar 1854 bei Bartholf Senff veröffentlicht. Da es sich beim 2. Satz von op. 1 um Variationen über ein ›Volkslied‹ handelt, für den 4. Satz von op. 1 sowie den 2. Satz von op. 2 durch Brahms’ Freund Albert Dietrich Textbezüge überliefert wurden und Brahms dem 2. Satz von op. 5 drei Gedichtzeilen als Motto voranstellte, geht die Einleitung auch der Frage nach den konkreten musikalischen bzw. textlichen Vorlagen nach.
Die Überlieferung der handschriftlichen Quellen zu op. 1 und 2 gestaltet sich genau entgegengesetzt: Ist zu op. 1 ein Autograph zugänglich, während die abschriftliche Stichvorlage in unbekanntem Privatbesitz verblieb, lässt sich im Fall von op. 2 die abschriftliche Stichvorlage heranziehen, nicht aber ein früheres Autograph. Bei op. 1 deuten Einteilungs-Vermerke eines Kopisten im erhaltenen Autograph sowie frühere Beschreibungen der Stichvorlage darauf hin, dass das Autograph als Vorlage für letztere diente. Die genannten Vermerke ließen sich dem Düsseldorfer Schreiber Otto Hermann Klausnitz zuordnen, der demnach nicht nur einen Teil der Stichvorlage von op. 2 übernahm, sondern auch (ganz oder teilweise) diejenige von op. 1. Zu op. 5 ist zunächst die Stichvorlage überliefert, die Brahms überwiegend selbst anfertigte – nur der 3. Satz stammt von der Hand seines Freundes Julius Otto Grimm. Aus der Phase der Drucklegung blieb außerdem ein Korrekturabzug erhalten: Darin nahm der junge Komponist noch zahlreiche, hauptsächlich kompositorisch motivierte Korrekturen vor, was bei 2 Seiten sogar zum Neustich führte.
Heikel war die Einschätzung von Eintragungen in den überlieferten Handexemplaren. Dabei galt es nicht nur jeweils Brahms’ Handexemplar zu berücksichtigen, sondern für op. 1 und 2 auch ein (1875 erschienenes) Sammelband-Exemplar mit den bei Breitkopf & Härtel publizierten Brahms’schen Klavierwerken. Wie briefliche Äußerungen gegenüber dem Verleger Fritz Simrock aus dem Jahr 1888 zeigen, plante Brahms offenbar zeitweilig eine ›Revision‹ der in diesem Band enthaltenen Werke, nahm hiervon jedoch letztlich Abstand. Anders als bei der alten Gesamtausgabe – die das Sammelband-Exemplar vermutlich mangels früherer Verfügbarkeit erst für op. 2 heranzog – wurde davon abgesehen, die kompositorischen Änderungen in den Haupttext der Neuausgabe zu übernehmen, zumal fraglich war, ob die bzw. welche Änderungen definitiv gültig sein sollten, einige von ihnen inkonsequent bzw. rudimentär erfolgten und schließlich nicht alle Einträge eindeutig auf Brahms zurückführbar sind. Um das Überlieferungsproblem zu verdeutlichen, werden die relevanten Änderungen, die durch praktische Ausgaben teilweise weite Verbreitung gefunden haben, jedoch in Fußnoten zum Notentext mitgeteilt.